«Durch Bewegung beginnen sich Raum und Zeit aneinander zu reiben. Bei Rosmarie Lukasser werden wesentliche Momente einer Residency – das Anreisen, das Verweilen an einem Ort, das Abreisen – zum Leitmotiv, um über Raum und Zeit und die eigene Körperlichkeit nachzudenken. Entstanden ist eine Serie von Arbeiten, deren Inhalt sich in die spezifische Körperlichkeit ihrer Medien übersetzt und sich dem Betrachter verschiedentlich sinnlich erfahrbar macht.
Die Künstlerin näherte sich Petőmihályfa von Wien aus in einer achttägigen Fußreise, dokumentierte Eindrücke im Vorbeigehen lapidar mittels handlicher Digitalkamera. 117 Pigmentdrucke finden sich so in einem Reisebuch, das mit flotten Fingern durchmessen werden kann, auf dessen Seiten die Finger jedoch auch verweilen und zurückkehren können. Ganz anders die Heimreise: Die Autofahrt zurück nach Wien findet ihre Darstellung im Daumenkino – wortwörtlich als haptische und visuelle Form, die, bewegt durch nur einen Finger, ein dokumentiertes Ereignis in eine filmische Form überführt.
Eindrücke ihres Aufenthalts in Petőmihályfa hat Rosmarie Lukasser mit einer Camera Obscura eingefangen und auf eine Serie von 10 Fotografien gebannt. Durch Belichtungszeiten von bis zu einer Stunde entstanden malerische Aufnahmen der Umgebung und zugleich Übungen des Innehaltens. Nicht nur passend zur Jahreszeit, war Franz Schuberts Winterreise eine beständige Begleiterin der Künstlerin – ein Zyklus von Wanderliedern, der das Kommen, Verweilen und Gehen zum Inhalt hat. Ursprünglich als Performance konzipiert, entschied sich Lukasser für eine Ausformulierung als Videoarbeit: Die Künstlerin singt in einer einzigen langen, eigentümlich änigmatischen Einstellung Schuberts „Der Leiermann“, ausgestattet mit mitgebrachten Gegenständen – die Osttiroler Tracht ihrer Großmutter, eine Stirnlampe, eine Zither –...Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus...»
Beate Lex